5 Tiere und Kinder sind die besseren Menschen

Was meine zwischenmenschlichen Kontakte in Bezug auf meine Behinderung anbelangt, habe ich auch positive Erfahrungen gemacht, und zwar im Umgang mit Kindern. Kinder haben eine natürliche Art mit ihren Gefühlen und so auch mit ihren Ängsten umzugehen. Nach einem ersten verwunderten Blick dauert es nicht lange, bis mich Kinder auf meine „komische“ äußere Erscheinung direkt ansprechen, und das ist auch gut so. Denn im Vergleich zu manch Erwachsenen, höre ich aus der Frage ein ehrliches, unbedarftes Interesse heraus. „Was hast du da?“ Dies löst in mir keineswegs ein unangenehmes Gefühl aus. Im Gegenteil, ich spüre eine gewisse Erleichterung, dass mich jemand einfach anspricht und fragt. In dem Fall wollen die Kinder einfach verstehen, warum ich so aussehe. Deswegen gebe ich ihnen immer gerne eine aufklärende Antwort. Meiner Erfahrung nach ist es damit auch gut und das Thema erledigt – bisher hat mich kein Kind ein zweites Mal gefragt, geschweige denn abgelehnt. Manchmal fragen sie genauer nach, um noch besser zu verstehen.

Kinder nehmen einen so an, wie man ist. Das gleiche gilt auch bei Tieren. Im Kontakt mit ihnen hingegen fällt die verbale Kommunikation weg, wobei durchaus verbale Signale zur Verständigung möglich sind.  Tiere haben dennoch große Ähnlichkeit mit Kindern. Sie leben ausschließlich in der Gegenwart, reagieren unmittelbar und unvoreingenommen. Dies macht den Kontakt sowohl mit Kindern als auch Tieren für mich authentisch und ehrlich.

Demnach wäre es mir lieber, Menschen - vor allem Erwachsene, würden mich „einfach“ auf mein Handicap ansprechen - und zwar auf freundliche Weise. Einige Personen mögen vielleicht Angst haben, mich damit zu verletzen. Das tun sie jedoch nur, indem sie beispielsweise mit flapsigen Sprüchen auf mein Aussehen reagieren.

Eine interessante, wenn nicht sogar essenzielle Erfahrung machte oder mache ich immer wieder im Zuge meiner Reisen, speziell während meines Studienaufenthaltes in Finnland. Ich verbrachte dort ein Auslandssemester in Vaasa. Nach geraumer Zeit wurde mir bewusst, wie entspannt ich mich in der Öffentlichkeit fühlte. Ich hatte - nicht wie in meiner Heimat das Gefühl, beobachtet zu werden oder mich nach ausfallenden Blicken umschauen zu müssen. Nachdem ich mir auch ein paar finnische Schulen angesehen hatte, wurde mir auch der Grund dafür klar. In Skandinavien und speziell in Finnland, gehört Inklusion zur täglichen Praxis. Nicht nur das Schulsystem ermöglicht den selbstverständlichen Einbezug von Menschen mit Behinderung. Auch das Sozialsystem trägt dazu bei, dass Finnland aus gesellschaftlicher Sicht zu einem der inklusivsten Länder weltweit gehört.

Die Beschulung von Kindern mit einer Behinderung an Regelschulen ist die Normalität – es gibt fast gar keine Alternativen mehr. Als Mensch mit Behinderung verspürt man auch genau das – man gilt als normal, der all-gemeinen Gruppe zugehörig . Ich merkte dies, indem ich nicht mehr unwillentlich die Aufmerksamkeit von zig Passant*innen anzog. Wie erholsam das war!

Wir könnten uns aus diesen fortschrittlichen Ländern Einiges abschauen, sozusagen über den Tellerrand schauen. Ich habe im Laufe der Zeit Personen, darunter auch Lehrkräfte, kennengelernt, die ebenso die inklusive Gesellschaft in den skandinavischen Ländern erlebt und als sehr positiv wahrgenommen haben. Sie alle hatten denselben nachhaltigen Eindruck wie ich. Vielleicht sollten unsere Politiker*innen mal eine Dienstreise dorthin wagen?

 

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Es gibt noch keine Kommentare.